An dem Abend liest Schriftstellerin Akyün aus ihrem Buch "Ali zum Dessert". 2008 ist das autobiografische Werk erschienen. Mit Witz und Intelligenz schreibt sie darin über die lange Suche nach einem Mann mit deutscher Verlässlichkeit und türkischem Temperament oder wie es der Titel ihres ersten Buches benennt: nach einem Hans mit scharfer Soße. Am Ende kommt es anders, kommt Ali, kein Deutscher, sondern ein Türke. Ein Mann mit türkischer Seele, aber deutschem Herz. Mit ihm lebt sie heute in Berlin. Unverheiratet und mit Kind.
Hatice Akyün schreibt über ihr Leben als Mutter, über ihre zwei Welten zwischen gebärmuffeligen deutschen Freundinnen, PEKIP-Kursen, frühkindliche Musikerziehung, Elterngeld und türkischem Familienkommunismus. Sie berichtet voller Ironie darüber, wie nun zwei türkische Familien fröhlich-chaotisch in ihr deutsches Leben funken.
Das Leben zwischen diesen beiden Welten ist Hatice Akyün Thema. Als Kind habe ich mich oft seltsam gefühlt. Ich dachte, wir sind sonderbar. Meine Mutter trägt Kopftuch, wir essen anders, wir sprechen anders. Ich habe das als schlimm empfunden. Erst als ich älter wurde, habe ich gemerkt, mit wie viel Reichtum ich gesegnet war, weil ich die Chance hatte, mit zwei Sprachen und zwei Kulturen gleichzeitig aufzuwachsen, konstatierte die Deutsch-Türkin vergangenes Jahr bei der Verleihung des Duisburger Preises für Toleranz und Zivilcourage.
Akyün, die 1972 mit ihren Eltern aus Zentralanatolien ins Ruhrgebiet kam, gilt heute als Musterbeispiel gelungener Integration. Sie schreibt für den Spiegel, für Emma und den Tagesspiegel, gilt als Botschafterin der Kulturen.
Doch, sagt sie, sei ihre Integration nur Zufall. Denn zuhause sprach Familie Akyün ausschließlich türkisch. Deutsch lernte die kleine Hatice durch Grimms Märchen und den Internatsroman Hanni und Nanni. Ich wusste nicht einmal, was ein Internat ist, und schon gar nicht konnte ich mir vorstellen, dass Mädchen in meinem Alter nach der Schule zum Reitunterricht gingen. Ich ging nach der Schule in den Koranunterricht.
Ihre Integration habe sie den Müttern ihrer Schulfreundinnen zu verdanken, der Lehrerin, der Stadtbücherei Duisburg. Glücklichen Fügungen. Aber es ist unverantwortlich, Migranten Biografien wie meine dem Zufall zu überlassen, sagt Akyün und fordert mehr Anstrengungen von Politikern, Gesellschaft und Zuwanderern. Vor allem wünscht sie sich mehr vorschulische Sprachförderung. Denn der Schlüssel zur Integration sei die deutsche Sprache.
Lesung Ali zum Dessert mit Hatice Akyün:
- Datum: Mittwoch, 03. November 2010, 19.30 Uhr
- Ort: Ludgerus-Werk Lohne, Mühlenstraße 2
- Eintritt: 10 Euro inkl. einem Getränk
Bildunterschrift:
Elisabeth Schlömer, Iris Schumacher und Christiane Kröger (von links) holen die Schriftstellerin Hatice Akyün nach Lohne. Im November liest sie im Ludgerus-Werk aus ihrem Buch Ali zum Dessert.